Warum leitet Ihr Gruppen, wenn Ihr selbst nicht perfekt seid?

Ja, ich leite die Übungsgruppe „Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg“ und Kathrin die Qi Gong-Gruppen. Und uns beiden ist vollkommen bewusst, dass wir nicht perfekt sind. Die Frage aus der Überschrift ist sowohl Kathrin als auch mir schon öfter gestellt worden. Es gibt auch Menschen, die deshalb nicht wiedergekommen sind. Ja, so ist es.

Nun: Wir lernen selbst immer weiter dazu. Wir sind einfach Menschen, die sich mit diesen Themen bewusst beschäftigen. Einige Leute sagen Selbstoptimierung dazu, andere lebenslanges Lernen. Und uns erschien das, was wir gehört und für uns selbst angewendet haben, als auch wertvoll für Andere. Wir wollen etwas weitergeben, weil es unser eigenes Leben so positiv verändert hat.

Klar, sollte eine Lehrende auch etwas beizubringen haben. Aber was heißt „weiter sein“?

Wenn wir erst dann eine Gruppe leiten, erst dann anfangen das, was wir schon wissen oder können, weiterzugeben, wenn wir meinen darin zumindest halbwegs perfekt zu sein, sind wir alt [oder schon gestorben]. D.h. wir würden damit später beginnen, und dann weniger Zeit haben, Menschen zu erreichen. Vielleicht auch überhaupt nicht mehr anfangen, solange wir die Energie dazu noch haben. Denn natürlich nagt auch an uns der Zahn der Zeit. Zögern und Angst würde unsere Absicht verhindern, diese beiden Techniken in der Welt zu verbreiten. Zögern und Angst würde unser Verhalten regieren. Außerdem: Wirklich perfekt werden wir alle ohnehin nie. Egal, wie uns Leute von der Außenansicht her glauben machen wollen.

So haben wir schon mal angefangen

Nach dem Motto „ich bin dann mal weg“ oder „redet Ihr weiter, ich mach schon mal“. Deshalb bezeichnen wir unsere Angebote als gemeinsame Übungsgruppen, nicht mehr. Wir wollen einfach gemeinsam mit Interessierten üben. Gemeinsam mit vielleicht auch dir uns entwickeln. Gemeinsam mit dir „auf dem Weg sein“ und uns als „work in progress“ empfinden, wie es im Englischen so schön heißt. In deren Sprache kommt das Un-Perfekte so richtig deutlich zum Ausdruck.

Mir selbst sind Menschen, die sich als „auf dem Weg Seiende“ begreifen, tatsächlich sogar lieber als „perfekte Lehrer“. Es macht für mich einen Unterschied im Umgang miteinander. Vielleicht habe ich von Letzteren zu Schulzeiten einfach zu viele abgekriegt…

In diesem Sinne laden wir, Kathrin und ich, dich herzlich ein, gemeinsam mit uns auf dem Weg zu sein. Im do-it-yourself, do-it-together Haus. (auf Deutsch: mach-es-selbst-, mach-es-gemeinsam-Haus). Jede Woche Sonntag üben wir Qi Gong; jeden Dienstag der ungeraden Kalenderwochen üben wir Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg.

PS: Da fällt mir gerade ein, dass sogar unser Garten völlig un-perfekt und „auf dem Weg“ isttwinkle. Auch daran kannst du teilhaben, das wäre dann Teil der Gartengruppe werden.

Die Macht des „Trotzdem“

Diesen Ausdruck habe ich gerade in einem Radiobeitrag gehört. Er hat mich sofort tief berührt. Für mich handelt er von der Freiheit zu entscheiden, sich zu ent-scheiden, also eine Scheidung/Trennung aufzuheben, sich zu positionieren, seine eigenen Werte zu leben, mit sich selbst eins zu sein. Und das in allen Herausforderungen, die genau in diesem Augenblick auf mir liegen. Darunter zählen

  • Gewohnheiten,
  • meine aktuelle Kraft,
  • meine aktuelle Bequemlichkeit (auch die darf sein),
  • gesellschaftliche Erwartungen,
    Also: Was werden die anderen von mir denken, schließe ich mich selbst durch das, was ich jetzt gleich tun werde, von der Gemeinschaft mit Anderen aus? Denn ich will ja dazugehören, auch das ist für mich wichtig.
    Und nicht zuletzt:
  • die Folgen, die sich aus meiner Entscheidung ergeben werden. Folgen für Andere, aber auch für mich, inkl. meines Gewissens. Mit den Erinnerungen und meinem Gewissen werde ich weiterleben.

Auf dieser Basis entscheide ich. Heraus kommt ein Fließen mit dem Fluss oder ein „und trotzdem“. Das entsteht nicht aus Trotz, wie man vom Wort her meinen könnte, nein, es entsteht nach Abwägung aus meinem tiefsten Inneren, aus meinem Charakter, den ich durch solche bewussten Entscheidungen weiter forme. Die Fragen „Wie will ich sein?“ und „Was bin ich bereit dafür einzusetzen?“ stehen immer im Hintergrund. Wenn ich sie in den Vordergrund treten lasse, stehe ich fester im Leben, fester auf dieser Erde. Gerade im letzten halben Jahr habe ich selbst erleben dürfen wie viel Unterschied das macht. Es tat gut.

Deshalb wünsche ich uns allen zu diesem Osterfest ein „und trotzdem“.

Welt der Möglichkeiten

Sooo viele Möglichkeiten. Wir genießen es, Auswahl zu haben. Wenn ich zurückdenke, welche Möglichkeiten ich alles habe, im Gegensatz zu dem, was meine Mutter an Möglichkeiten hatte, erst recht meine Großmutter oder sogar meine Urgroßmutter. (Meine Urgroßmutter ist die letzte in der Generationenfolge, von der ich halbwegs etwas weiß.)

Manchmal ist es nicht leicht zu wissen, was ich eigentlich will.

Mehr Möglichkeiten durch eine freiere, tolerantere Gesellschaft. Auch wenn wir derzeit Rückschritte spüren, ist das alles nichts zu der engstirnigen Gesellschaft von früher.
Mehr Möglichkeiten an Freizeitangeboten in der Stadt, dazu unendlich viele Angebote im Internet. Unser Tag ist weiterhin 24h lang. Wir arbeiten weniger Stunden als frühere Generationen und haben zusätzlich mehr helfende Maschinchen daheim. Insgesamt also mehr Freizeit, in der wir wählen können, aber eben auch wählen müssen, was wir in dieser Zeit tun.

Arbeiten gehen und Haushalt schmeißen waren und sind leicht verständlich als Lebensnotwendigkeiten und irgendwie eint das auch unsere Gesellschaft. Vielleicht verhasst, aber eben auch verstanden und damit meist akzeptiert. Die bezahlte Arbeit wird oft allerdings auch als sinnlos oder gesamtgesellschaftlich als sinnentleert empfunden.

Trotz dieser Stunden Arbeit und Hausarbeit bleibt mehr Zeit, die wir selbst gestalten können. Hier haben wir es in der Hand Sinn zu suchen und zu finden. Ich glaube, die wahnsinnig vielen Möglichkeiten vor denen wir hier stehen, erschweren diese Sinnsuche, lenken uns immer wieder ab. Wir lieben zwar die Wahl zu haben, merken aber oft nicht, dass sie uns gleichzeitig das Leben schwer macht.

Wohin heute?

Bestsellerlisten erleichtern uns die Auswahl. Gleichzeitig sind sie eine Vorauswahl von außen, bestimmen uns also in gewisser Weise fremd, also durch Fremde.

Wie finden wir zu wohltuendem Umgang mit unseren Vielen Wahlmöglichkeiten?

Mir hilft bewusste Prioritätensetzung. Eigene. So habe ich einerseits vor Jahren Fernsehen für mich gestrichen, andererseits vorausgewählt, dass ich ausgesprochen gern Sachen gemeinsam mit Anderen tue und mich ebenfalls ausgesprochen gern um meine Gesundheit kümmere. (Aha, hier kommt also der Name der Website her .) Und dann vielleicht noch ein Drittes: Ich lerne ausgesprochen gern. Alles drei macht mir nicht nur Freude, sondern ist für mich auch sinnerfüllt.

Entlang dieser drei Überschriften suche ich meine Freizeitgestaltung zusammen. Hast du auch solche Überschriften? z.B. wie im Bild? Wenn noch nicht, kannst du sie vielleicht jetzt finden. Mir hat die Gewaltfreie Kommunikation durch ihren Blick auf meine eigenen Bedürfnisse dabei geholfen. Meditation ist ein anderer guter Weg, den ich kenne. Es gibt bestimmt noch viele andere.

Wenn du anschließend schaust, ob deine Überschriften dem entsprechen, was du bisher in deiner Freizeit so machst und wie viel Zeit du für was jeweils zur Verfügung stellst, findest du vielleicht zu mehr innerer Zufriedenheit auch in unserer Welt der soo vielen Möglichkeiten.

Ich sein dürfen – oder sich verstellen

Was geht heute? Bei den heutigen Anforderungen an dich, bei den Menschen, die du heute triffst.

Hast du die Freiheit, heute du selbst sein zu dürfen? Mit allem, was du bist? Fühlst du diese Freiheit? Wenn nicht: wer oder was schränkt sie ein? Weißt du es oder vermutest/befürchtet du es? Ich war gerade versucht, ein „nur“ dahinter zu setzen. „Nur“ würde abschwächen – oder es sogar schlimmer machen, weil du dann selbst der-/diejenige bist, der/die einengt. Das führt oft zum „ich sollte, ich müsste“. Darum geht es aber nicht, sondern um du darfst du sein, du hast Anderes nicht nötig. Ich lade dich ein, mal dahineinzuspüren, die Grenzen, ihre Ursachen, aber auch die Freiheit zu spüren.

Hinter welchen Grenzen stehst du? Bist du für radikale Offenheit? Was wäre, wenn wir alle gläsern wären, jede/r jeden Gedanken des Gegenübers lesen könnte? Mich würde das nicht freier machen, sondern Angst hervorrufen.

Es ist gut, dass ich entscheiden kann, wie weit ich mich öffne. Andererseits tut es gut, mal darüber nachzusinnen – mit allen Sinnen – was ich bin, was ich zeigen möchte und warum genau das und nicht mehr und nicht weniger.

Die Bewerbergesellschaft – Spielen wir mit?

Nachdem wir jetzt

  • diese Website,
  • einen Newsletter,
  • ein Instagram-Account,
  • ab und zu cybersax- und eBay-Kleinanzeigen haben,
  • neulich auch mal Auslagen in Bioläden hatten,
  • und nun auch noch den Eintrag auf Nachhaltiges-Sachsen haben,

kam mir eine Zeile aus einem der vielen Bücher, die ich letztes Jahr gelesen habe, wieder in den Sinn. Ich kann sie nicht mehr wörtlich zitieren und weiß nicht mal mehr, in welchem Buch sie zu lesen war, oder ob das Schlüsselwort erst beim Gespräch über den Text mit Freunden entstand. Sinngemäß meinten wir jedoch am Ende

„Durch das Überangebot und Finanznot entsteht eine Bewerbermentalität.“

Wir haben das Gefühl, dass von uns gefordert wird, alles immer ein bisschen größer, schöner und toller darzustellen, als es aktuell ist. Und dazu die, die andere Angebote machen, auch noch als Konkurrenten zu verstehen. Geht es euch auch so? Mich nervt das.

Ja, wir können stolz sein auf Dinge, die klappen. Aber oft ist mir auch nach Demut und bei Sachen, die nicht geklappt haben, nach Trauer. Ist so etwas öffentlich möglich? Oder muss man das lieber geheim halten, weil Misserfolge „Interessenten kosten“?

Und ich finde, die Bewerbergesellschaft stellt manchmal Ehrlichkeit, ja sogar Vertrauen in Frage. Schade. Denn das geht mir so richtig gegen den Strich. So will ich nicht leben.

Im Newsletter versuche ich alle Seiten zu zeigen. Da schreibe ich sehr offen. Leider weiß ich bei vielen Abo-Adressen nicht mehr, wer dahinter steht. Auf konkrete Fragen im Newsletter kommen nur manchmal Antworten. So fällt es mir zunehmend schwerer offen zu sein. Aber diese Hochglanzgesellschaft will ich auch nicht mitspielen.

Andererseits: Wenn niemand von uns weiß, kann auch niemand ein Angebot wahrnehmen. Hm. Schwierig.

Wie es geht dir mit diesen Gedanken?

Das Jugend-Öko-Haus ist in Gefahr

Im großen Garten gibt es seit Wendezeiten in einem der Kavaliershäuser das Jugend-Öko-Haus. Das ist jetzt nur noch bis 1. Mai gesichert. D.h. es kann sein, dass es komplett verschwindet, nicht nur aus dem Großen Garten, (was ich schon schlimmg genug fände,) sondern komplett.

Alle Hintergründe findest du in der Petition, die sich für den dringenden Erhalt einsetzt:
https://www.openpetition.de/petition/online/rettet-das-jugend-oeko-haus-im-grossen-garten-dresden

Ich veröffentliche hier diese Petition, weil Artenkenntnisse ohnehin heutzutage selten sind, erst recht in der nachwachsenden Generation. Aktuell befinden wir uns mitten in einem Artensterben riesigen Ausmaßes. Darin sind sich alle einig. Wenn wir aber nicht mal mehr die Arten bestimmen können, wir also nicht mal mehr benennen können, was wir schützen wollen, wie soll das dann gehen?

Allein schon das Programm „Junge Naturwächter“ der Sächsischen Landesstiftung für Natur und Umwelt (LANU) ist so wichtig, dass das Jugend-Öko-Haus erhalten bleiben muss.

Lesezeit 3 – Welche Rolle haben wir Menschen? Was magst du lernen?

Aus einem anderen Buch1 finde ich diese Stelle teilenswert:

„Die Vorstellung, wir könnten alles Leben zerstören, einschließlich der Bakterien, die in den Wassertanks von Kernkraftwerken oder in siedend heißen Quellen gedeihen, ist lächerlich. Ich höre unsere nicht-menschlichen Verwandten schon kichern: „Wir sind ganz gut ohne Euch zurechtzukommen, bevor wir Euch kennengelernt haben, und wir werden auch jetzt ohne Euch zurecht kommen“, singen sie uns einträchtig vor. … Die Bäume in den Regenwäldern summen vor sich hin und warten, bis wir unser arrogantes Geschäft des Abholzens beendet haben, damit sie wieder zur Tagesordnung des Wachsens übergehen können.“

Lynn Margulis in „Der Symbiotische Planet“

und

Unser Planet sorgt für uns, nicht wir für ihn. Unser aufgeblasenes moralisches Gebot, eine widerspenstige Erde zu zähmen oder unseren kranken Planeten zu heilen, zeigt nur unsere maßlose Fähigkeit zur Selbsttäuschung. In Wirklichkeit müssen wir uns vor uns selbst schützen.

Lynn Margulis in „Der Symbiotische Planet“

Insofern ist schon der Ausdruck „gut mit dem Planeten umgehen“ aus dem vorigen Artikel ein Ausdruck, der uns Menschen so völlig „falsch“ in den Mittelpunkt stellt. Aus der Sicht des Planeten stimmt wohl eher dieser Witz:

Trifft ein Planet den anderen. Sagt der Eine: "Du siehst aber leidend aus! Was hast Du denn?"
Antwortet der Andere: "Ich hab Menschen. Leider."
Antwortet der Erste: "Ach, das ist halb so schlimm. Das ist schnell wieder vorbei, glaub's mir!"

Hier ein Beispiel von einem Lebenwesen, was uns Menschen ziemlich sicher überleben wird: Bärtierchen, vor 250 Jahren in Quedlinburg entdeckt, faszinierend bis heute. Vor allem dieses Bärtierchen-Video finde ich wirklich spannend.

Falls dir dieses Thema gefällt, hier ein paar Fragen zum Nachdenken:

  • Bin ich mir im Alltag bewusst, dass mir die Erde meine Lebensgrundlage bietet, dass ich ohne sie weder etwas zu essen, zu trinken noch zu atmen habe?
  • Und falls „ja“: Macht dieses Wissen irgendeinen Unterschied in meinem Leben? Welchen?

Was für einen Unterschied macht mein Wissen?

Denn auch diesen Gedanken2 fand ich bemerkenswert: „Was für einen Unterschied für mein Leben macht es, wenn ich … weiß?“ Das ist ein ganz anderer Ansatz von Bildung.

Dementsprechend frage ich:

  • Wo muss ich mich vor mir selber schützen? (psychologisch oder ökologisch)
  • Kommt in den Träumen von damals die Erde als Lebensgrundlage vor? Wenn nicht: Kann ich die Träume anpassen und dennoch den Elan, der damals mit diesen Träumen verbunden war, genau jetzt spüren?
  • Ist da nicht sogar eine Werteverschiebung dabei?
  • Wenn ich mich jetzt in diesen Elan hineinvertiefe, ihn nicht meinen althergebrachten Routinen opfere, schaffe ich es, vielleicht meine Routinen neu auszurichten? Mit Hilfe von dem Elan und dieser kleinen Werteverschiebung ein wenig anders im Alltag zu leben?
  • Und: Was an Wissen habe ich noch nicht, was ich brauche, um ein Leben so zu führen wie es zu diesen Träumen passt? Wie ich (immer noch) gern leben möchte?

Ein anderes „Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?“

Das ist dann ein ganz Anderes „Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?“ als es in traditionellen Bewerbungsgesprächen abgefragt wird.

Kommentier gern oder schreib uns in einer Mail, was bei dieser Nachdenkzeit in dir hochgekommen ist.


1Margulis, Lynn (2018): Der symbiotische Planet. Westend Verlag, Frankfurt (Main).

2 Harald Welzer (2014): Selbst denken: Eine Anleitung zum Widerstand. Fischer Taschenbuch, Frankfurt (Main).