Tja, das werden wir zunehmend gefragt, je bekannter das Projekt wird. Fördermittel sind ein zweischneidiges Schwert. Ich bin mir nicht sicher, ob es gut ist, welche anzunehmen.
Warum mir Fördermittel gefährlich erscheinen
- Jede Förderung beinhaltet auch adminstrative Arbeit. Wir sind derzeit noch sehr, sehr „dünn besetzt“, d.h. Abrechnen von Geldern würde im Verhältnis zu der Arbeitszeit, die wir alle ins Projekt einbringen eine ganze Menge ausmachen. Wollen wir das?
Statt „operativ gemeinschaftsfördernd“ tätig zu sein, lieber abrechnen? Wenn ja, wer hat Lust zu so was? Das sind unbeantwortete Fragen. Wer aber Lust hat, melde sich gern! - Welche Freiheitsgrade schenkt uns eine Förderung? Was wäre mit Fördermitteln besser für uns?
- Förderung bringt Abhängigkeit. Abhängigkeit in Form von Berichte schreiben, in Form von „bekommen wir auch nächstes Jahr noch die Mittel“? Wegfall von Fördermitteln kann sehr schnell den Tod eines Projektes verursachen, wenn man sich nämlich so sehr dran gewöhnt hat, dass die Miete oder die Sekretärin oder was auch immer vom Förderer bezahlt wird, dass man ohne nicht mehr auskommt. Erst recht ist das gefährlich, wenn der Wegfall plötzlich passiert.
- Förderung bringt eine „Subventionsmentalität“ mit sich. Ich persönlich kann die nicht leiden. Ich leiste lieber etwas und werde dafür bezahlt. Oder spende etwas, weil ich den Zweck gut finde. Aber Handaufhalten ist nicht so meins.
- Wir müssen nur die Raumeinrichtung, die laufenden Kosten in Form von Material, Reparaturen und die 200 EUR Betriebskosten der Räume zahlen. Das ist nicht so furchtbar viel, finde ich, wo wir die Räume doch 24h/Tag, 7 Tage/Woche zur Verfügung haben und den Garten noch dazu. Da müssen 200 EUR und Material (z.B. für Weihnachtsplätzchen und Glühwein) finde ich, hoffe ich, doch aus unseren vereinten, aber eigenen Kräften machbar sein. Meint Ihr nicht?
- Die Raumeinrichtung haben wir ja schon geschafft. Dafür können wir uns schon gegenseitig auf die Schulter klopfen. Denn die kostet bei vielen Startups auch echt viel. Wir haben das meiste geschenkt bekommen und hatten nur den Aufwand, es abzuholen und aufzubauen.
- Ich finde es auch ein ausgesprochen wunderbares Gefühl, selbst etwas zu schaffen, eigenverantwortlich und unabhängig zu sein. Kannst Du das nachvollziehen? Gegenseitig Respekt vor dem entwickeln, was wir geboten bekommen von den anderen. Dafür im Anschluss zur Veranstaltung (oder im Anschluss an das Sache-Mitnehmen vom Tauschregal) auch unsere Wertschätzung für genau diesen Abend/genau diese Sache ausdrücken. Ein finanzielles „DANKESCHÖN!“
- In dieser Gesellschaft wird Wertschätzung leider meist mit Geld ausgedrückt. Insofern kann es den Referenten oder Organisator eines Nachmittags/Abends schon treffen, wenn jemand gar nichts als Dankeschön gibt. Und Geld als solches, haben wir alle, auch Rentner, Erwerbsunfähigkeitsrentner, Menschen in Hartz VI oder auch im Krankengeld und in Sozialhilfe. Es bleibt die Frage, wofür wir es ausgeben. Was sind unsere Prioritäten? In welcher Reihenfolge erfüllen wir uns Wünsche? Das ist durchaus etwas, worüber sich nachzudenken lohnt. Ganz ohne erhobenen Zeigefinger, sondern rein als: Wie möchte ich sein? Lebe ich so, wie ich sein möchte?
Hier: Möchte ich tatsächlich jemand sein, der nur nimmt? Gebe ich das, was ich möchte, was mich dabei gleichzeitig aber nicht selbst gefährdet? Wann gefährde ich mich selbst, was ist mir wichtig, was ich nicht aufgeben möchte?
(Genauso wie die Frage: Wofür gebe ich meine Zeit aus? Denn 24h haben wir alle.)
Finanzierung dennoch auf Dauer schaffbar? Für uns gemeinsam!
Tun ohne ausgenutzt zu werden
Für mich persönlich hilft das Haus ganz dolle, so zu leben, wie ich es gern möchte: Für andere da sein, mich aber nicht ausnutzen lassen. (Das wäre es z.B. für mich, wenn dauerhaft nicht die Nebenkosten rein kommen. Dann würde ich auch aufhören, mich für die M37 zu engagieren.) Gemeinschaft selbst ermöglichen, aber auch mal „von anderen organisierte Gemeinschaft“ zu genießen. Selbst etwas leisten und genießen, wenn andere es wertschätzen. Aber auch andere wert zu schätzen, die in und an der Villa etwas leisten. Ein Geben und Nehmen. Und in diesem Geben und Nehmen dieses Projekt ermöglichen, also auch die Kosten, die nun mal damit verbunden sind, selbsttätig zu tragen. Anschließend können wir ruhig auch stolz darauf sein. Warum denn nicht?
Empowerment live – also: Wir haben etwas geschafft und sind stolz darauf! Wir können das. Denn wir sind keine rein passiven Konsumenten!
Ich bin zuversichtlich, dass der Geldmangel, den wir derzeit noch erleben, also dass wir nicht oder kaum die Nebenkosten stämmen können, sich ganz von selbst erledigt, je mehr Angebote wir haben. Das soll das Bild verdeutlichen: Es ist nicht nur der Kleingeldstapel, der wächst, sondern auch die bisher noch kleine Pflanze Dorfgemeinschaftshaus wächst.
Liebe Lisa,
ich bewundere Deinen Mut und Deine Hartnäckigkeit für Dein Ziel. Die Ökomie, also die Wirtschaftlichkeit spielt bei allen Dingen eine große Rolle. An Deiner Stelle würde ich mich nicht so ablehnend gegenüber Förderung verhalten. Bedenke auch: Viel Gutes wäre ohne Förderung nicht zustande gekommen. Es ist auch nicht einzusehen, daß jemand die hilfsbereit angebotene Hand ausschlägt, wenn sie ihn schneller und sicherer seinen Zielen entgegenbringt. Dafür brauchten wir aber eine Person, die sich in diesen Dingen auskennt und sich für die Finanzbeschaffung auf diesem Wege einsetzt. Hier gebe ich Dir recht.
Du brauchst tatkräftige auf spezielle Fachgebiete fokusierte Mitstreiter. Die kannst Du vielleicht finden bei sozial orientierten Gruppen und Organisationen. egNEOS hat zwar mit Deinem Vorhaben nichts gemein, es ist ein Wirtschaftsunternehmen, dem Die Bank Kredite gab. Es begann ganz klein aus einem kleinen Freundeskreis und erfreut sich nun eines ständigen Wachstums. Könnte man evtl. aus dem Nachbarschaftshaus ein kleines Unternehmen machen, das sich um mobile Alten-und Krankenpflege kümmert und den von Dir festgelegten Zweck des Wohngebietstreffs als erst mal untergeordnete Nebenfunktion definiert? Das nur als Denkanstoß.
Ich wünsche Dir mit Deinem Vorhaben viel Erfolg, aber auch die Bereitschaft zu Kompromissen und vor allem eine handvoll guter Berater. Allein ist man eben oft allein. Mit mehreren Gleichgesinnten, die engagiert das gleiche Ziel anstreben, sieht die Sache schon ganz anders aus.
HG
Reiner Rauch
Lieber Reiner,
danke für dein Interesse und deine Wertschätzung.
Ich fühle mich sehr geehrt, dass du uns kleines Dorfgemeinschaftshaus mit einer Genossenschaft im Energiesektor mit Hunderten – wenn nicht inzwischen Tausenden – von Mitgliedern vergleichst, die sogar Dividende ausschüttet. Wir werden nie eine Dividende in Form von Geld ausschütten. Das würde überhaupt nicht zur Intention passen, denn es würde Menschen vorher mehr Geld abnehmen als für das Projekt notwendig. Daher sind wir jedoch in den Maßstäben dieser Gesellschaft weniger „attraktiv“. So denken viele nun mal.
Unsere DIVIDENDE ist GEMEINSCHAFT und vielleicht auch GESUNDHEIT, oder sagen wir WOHLBEFINDEN.
Diese Themen hängen über die Psyche ja tatsächlich oft zusammen. Wenn ich an Gunther denke, kamen wir einfach vielleicht zwei Jahre zu spät. Gemeinschaft und damit Wohlbefinden haben wir bei ihm noch erreichen können, für Gesundheit kamen wir eindeutig zu spät. Bei anderen hoffentlich nicht. Die Hürde ist „bloß“, dass wir aktiv werden „müssen“.
Wenn du Lust hast, dich aktiv einzubringen, bist du genauso wie jede/r andere, die/der das hier liest, willkommen. Wichtig ist uns Zuverlässigkeit und Stetigkeit. Ich denke, solche Menschen zu finden, die zum Projekt stehen, ist weit schwieriger als finanzielle Lücken auszugleichen.
Ich gebe auch gern zu, dass die Betreuung von Aktiven weit mehr Zeit und Energie kostet, als ich dachte. Ich hatte angenommen, das ist ein Selbstläufer. Leute brauchten nur einen Schlüssel und dann liefe es schon. So ist es aber nicht. Es geht los beim sich für die Räume und deren Zustand verantwortlich fühlen, sich nicht als Kunde fühlen, sondern als Gemeinschaft. Das habe ich schon dazugelernt. Zum Glück lerne ich gern.
Ein Weiteres, was ich gelernt habe ist, dass Stress einfach unsozial macht, auch mich. D.h. ich muss sehr darauf achten, im Rahmen meiner Belastungsgrenze zu bleiben. Sonst geht zu viel schief. Stress macht einfach unsozial, auch mich.
Und das Dritte, was ich gelernt habe, was mir hier spontan einfällt, ist, dass ich nicht wusste, wie viele Leute sich so wenig zutrauen. Das war in meinem bisherigen Umfeld nie so. Ich finde das total schade und will versuchen, so Viele wie nur möglich zu „empowern“, wie es so schön heißt.
Alle drei Punkte zeigen: Wir sind alle wichtig für uns gegenseitig.
Dieses Projekt bleibt auf jeden Fall ein großes Lernfeld und Abenteuer. In diesem Sinne bin ich auf die nächsten Jahre schon gespannt
Lisa